„Diiiiing“, machen die Tingsha-Glocken und das, was eigentlich ein sehr beruhigendes Geräusch sein soll, löst in mir eine kleine Panik aus. Denn ich weiß, dass das, was nach diesem „diiiing“ folgt, nicht einfach sein wird für mich: 30 Minuten Ruhe.
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Inhalt des Artikels
- 30 Minuten schweigen: Stille mit Anleitung
- Gut Saunstorf: Wiederbelebt als modernes Kloster
- Gut Saunstorf: Ort der Stille
- Übernachten auf Gut Saunstorf
- Innere Einkehr im Kloster: Fasten, Yoga und Dunkelretreat
- Das Kloster, die Gemeinschaft und der Guru
- Mitarbeiten im Kloster Saunstorf
- Fazit: Für wen is ein Urlaub im Gut Saunstorf geeignet?
- Gut Saunstorf: Informationen & Anfahrt
30 Minuten schweigen: Stille mit Anleitung
Und zwar nicht die Art der Ruhe, wie in: „ich fläze mich auf meine Couch und nicke zur Berieselung einer Netflix-Serie immer wieder kurz weg.“ Nein, diese Ruhe ist eine andere. Eine Meditation, in der nicht nur ich die Klappe halten soll, sondern auch von außen keine Impulse kommen, bis man nach einer halben Stunde wieder daraus erlöst wird. Bei der ich nicht irgendwo liege, sondern, so aufrecht es mein Rücken nur irgendwie zulässt, auf einem Meditationskissen in einem lichtdurchfluteten Raum sitze. Nicht alleine übrigens, sondern mit anderen Mitschweigenden, mit Abstand – denn die Pandemie macht zwar gerade vermeintlich Pause, ist aber noch in unseren Köpfen, wie sie es auch einige Monate später wieder mit voller Wucht sein wird. Angeleitet wird die ruhige halbe Stunde zur inneren Einkehr von Christel, die hier, im Kloster Saunstorf in Mecklenburg-Vorpommern lebt und arbeitet.
Im Sommer 2020 hatte ich gerade erst angefangen mit dem Meditieren und hatte, mit Hilfe einer App, schon einige Erfolgserlebnisse vermelden können. Das hier ist aber etwas ganz anderes. Während mich die Frau mit der freundlichen Stimme in der App mich immer wieder dann zurückholt, wenn mein „monkey mind“ mal wieder abschweift, macht das hier niemand. Ich bin mir unsicher, ob ich mich bewegen darf, obwohl ich es so gerne würde, denn gerade ist mein linker Fuß dabei einzuschlafen.
Mein leerer Magen macht ein paar Gurgelgeräusche und normalerweise würde ich den peinlichen Moment mit einem angedeuteten Lacher und einem selbstironischen Augenrollen abmildern. Jetzt bleibe ich einfach nur stumm und hoffe, dass die anderen bereits so tiefentspannt sind, dass sie nichts von meinem Stoffwechsel mitbekommen haben. Durch die offenen Fenster weht ein Lufthauch, ich höre, wie der Wind draußen die Blätter in den Bäumen rascheln lässt und wie von einer Dachrinne Regentropfen herunterfallen. Leider nicht immer im selben Rhythmus: tropf, tropf, tropf – Pause – tropf. Ich blinzele ganz kurz und heimlich um zu sehen, wie sich meine mitreisende Bloggerkollegin Eva macht. Kerzengerade sitzt sie da und scheint tief in sich versunken zu sein. Ich muss mich sehr bemühen, keinen Meditationsneid aufkommen zu lassen.
Irgendwann erinnere ich mich daran, was ich in bei meiner Fastenwanderwoche gelernt habe: Wenn mich die Gedanken beim Meditieren überfluten, soll ich mich dafür nicht selbst bewerten – was ich nämlich just in diesem Moment tue. „Ich bin so schlecht im Meditieren, weil ich dabei an Regentropfen/das Frühstück/meine To-Do-Liste“ denke. Stattdessen sage ich mir jedes Mal, wenn mir etwas in den Kopf kommt: „thank you, but not now.“ Das funktioniert auch jetzt. Lieber Gedanke, du bist komplett in Ordnung und hast deine Daseinsberechtigung – aber bitte nicht jetzt.
Als das zweite „diiiiing“ erklingt, erschrecke ich kurz. Die hat doch aus Versehen viel zu früh gebimmelt? Hat sie nicht. Die dreißig Minuten Stille sind tatsächlich um – und es hat sich tatsächlich nicht so lange angefühlt.
Gut Saunstorf: Wiederbelebt als modernes Kloster
Im Rahmen der MittsommerRemise war ich für eine Nacht im Kloster Saunstorf und kam erstmals in Kontakt mit den Menschen, die hier leben und an deren Leben man als Gast teilhaben darf. Das Herrenhaus, einst dem Verfall stattgegeben und nach einer wechselhaften Geschichte nur noch als Ruine vorhanden, sollte 1989 sogar gesprengt werden. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurde es von der Gemeinschaft um den spirituellen Lehrer OM C. Parkin restauriert und 2010 als „modernes Kloster“ wiederbelebt. Nahe der Hansestadt Wismar inmitten eines weitläufigen Parks gelegen dient das Gutshaus heute als stiller Rückzugsort für die dort lebende, nicht-konfessionelle Gemeinschaft sowie für Gäste und Bewohner auf Zeit.
Gut Saunstorf: Ort der Stille
Wenn du dir jetzt vorstellst, dass man auf Gut Saunstorf nur flüstern darfst – so ist es dann doch nicht. Es wird hier auch laut gelacht, gesungen und mal die Stimme erhoben. Es gibt aber bestimmte Zeiten, an denen hier Ruhe herrscht: Bei der stillen Meditation, die jeden Morgen und Abend stattfindet wie auch beim Mittagessen, das in Stille eingenommen wird. Eine ganz neue Erfahrung für mich – und tatsächlich nicht die Schlechteste.
Übernachten auf Gut Saunstorf
Wer nun klösterliche Askese erwartet, wird überrascht sein: Die 23 Zimmer, zwei Suiten sowie die Ferienwohnung sind zwar nicht überladen, aber dennoch edel eingerichtet. Mit Ausnahme der Mehrbettzimmer, die in Ausstattung und Vibe eher minimalistisch sind, wirken die Räume eher wie eine Mischung aus Spa- und Schlosshotel. Die Einzelzimmer beginnen pro Nacht ab 70 €, die Doppelzimmer ab 90 Euro.
Zum Gutshaus gehören außerdem mehrere Seminarräume, ein Spa-Bereich mit Saunen und Kneipp-Becken, ein Gutshausladen sowie ein kleiner See. Und ein wunderschöner Garten, in dem unter anderem das Gemüse angebaut wird, das dann in der Gutshausküche zu sehr guten, ayurveda-inspirierten Mahlzeiten verarbeietet wird.
Innere Einkehr im Kloster: Fasten, Yoga und Dunkelretreat
Man kann im Kloster Saunstorf einfach nur übernachten und sein eigenes Ding machen, man kann aber auch am klösterlichen Leben teilnehmen, wie zum Beispiel bei einer Fastenauszeit, bei den Yoga- und Ayurveda-Tagen oder bei der Schweigewoche. Zwei ganz besondere Zimmer kann ich bei meinem Besuch leider nicht anschauen – sie sind nämlich durchgehend ausgebucht. Viel gesehen hätte ich so oder so nicht, denn: die Räume sind komplett dunkel. Sie dienen als Unterkunft und Rückzugsort, wenn man am so genannten „Dunkelretreat“ teilnimmt. Dafür begibt man sich für mehrere Tage in die absolute Dunkelheit. Für mich persönlich ist es – zumindest zu dem Zeitpunkt, an dem ich diese Zeilen schreibe – nicht vorstellbar, so etwas freiwillig zu tun.
Ich verfalle ja schon in eine miese Grundstimmung, wenn mal drei Tage hintereinander die Sonne nicht scheint und ich nicht einer meiner liebsten Beschäftigungen nachgehen kann: die Wolken am blauen Himmel kontemplativ zu betrachten. Für nicht wenige andere Menschen ist dies Abwesenheit von Licht und fast sämtlichen äußeren Reizen genau das, was sie suchen. Es soll dabei helfen, sich voll und ganz auf sein Innerstes konzentrieren zu können und dabei auf Dinge zu stoßen, die sonst im Alltag voller Ablenkungen nicht zum Vorschein kommen. Ab drei Tagen kann das Dunkelretreat gebucht werden, für wirklich tiefergehende Prozesse werden vier bis sogar zehn Tage empfohlen. Zu essen und zu trinken gibt es während dieser Zeit natürlich auch etwas und im Dunkelraum befindet sich sogar ein Duschbad.
Das Kloster, die Gemeinschaft und der Guru
Kommen wir nun zu dem Teil, der aus dem Kloster Saunstorf tatsächlich etwas anderes macht als ein normales Gutshaus, in dem eben ab und an Yoga-Workshops oder Ayurveda-Aufenthalte stattfinden. Das Besondere sind die Menschen, die hier dauerhaft leben und wirken und mit denen man als Gast unweigerlich in Berührung kommt. Damit man seinen Aufenthalt hier also wirklich genießen und für sich nutzen kann, sollte man also grundsätzlich keine Vorbehalte gegenüber spirituellen Gemeinschaften haben – und vor allem nicht solchen, die einen Guru an ihrer Spitze haben. In Saunstorf ist das OM C. Parkin. Er wird er allerdings nicht Guru genannt, sondern „spiritueller Leiter“ und verkörpert die Philosophie einer nicht konfessionellen Gemeinschaft:
OM verkörpert in seinem Wirken die Verbindung von östlicher Nicht-Zweiheitslehre und christlicher Mystik, von Tiefenpsychologie und Philosophie, über die Begrenzungen von Religionen und Konfessionen hinaus. Dabei bezieht er sich auf die Tradition des Advaita, das im 20. Jahrhundert durch die Inder Shri Ramana Maharshi, Shri H.W.L. Poonja und durch die Amerikanerin Gangaji und andere neu belebt wurde. OM wirkt in der Tradition dieser Lehrer und durch Verwurzelung in der urchristlichen Lehre.
Bei meinem Kloster-Aufenthalt ist der Weisheitslehrer nicht physisch anwesend, dafür aber auf andere Art und Weise: Seine Bücher gibt es im Gutshaus-Shops, sein Bild schaut mich im Frühstücksraum an und die zwei Frauen, die durch die Räume des Klosters führen, erzählen von dem so genannten „Darshan“, bei dem man dem Meister im Austausch und in der Stille begegnen kann. Obwohl die Klosterbewohnerinnen und -bewohner wirklich nicht wie entrückte, lebensferne Nonnen oder Mönche wirken (ganz im Gegenteil) – für mich ist das alles ein bisschen zu viel spirituelles „woo woo“. Das geht mir allerdings manchmal auch beim Yoga so und vom Kommunion- und Firmunterricht in meiner Kindheit will ich gar nicht erst anfangen. Ich für mich brauche keinen Guru – es stört mich aber auch nicht, dass es hier einen gibt.
Mitarbeiten im Kloster Saunstorf
Wenn du keine Berührungsängste mit Spiritualität und dem Leben in einer Gemeinschaft hast, dann gibt es mehrere Möglichkeiten, wie du deinen längeren Aufenthalt im Kloster Saunstorf gestalten kannst. Bei „ora et labora“ hilft man für drei Stunden am Tag bei den üblichen Arbeiten mit – also zum Beispiel im Garten oder in der Küche. Im Gegenzug gibt es einen ordentlichen Rabatt auf den Übernachtungspreis. Als „Karma-Yogi“ ist man sechs Stunden pro Tag eingespannt und wird für mindestens 14 Tage Teil der Gemeinschaft.
Als Ausgleich für das Engagement bekommt man eine günstige Wochenrate für das Zimmer, drei vegetarische Mahlzeiten pro Tag sowie kostenlose Teilnahme an den Meditationen und Workshops. Und wer gerne noch länger bleiben will, kann dies im Rahmen eines so genannten Volontariats tun, das mehrere Monate andauert. Alle Informationen zu den verschiedenen Möglichkeiten, im Kloster Saunstorf mitzuarbeiten, findest du hier.
Fazit: Für wen is ein Urlaub im Gut Saunstorf geeignet?
Eine Auszeit im Kloster Saunstorf ist genau für diejenigen richtig, für die alles zu viel ist und die mal richtig tief durchatmen wollen. Entspannen kann man hier auf jede erdenkliche Art und Weise, und sowohl wie den Körper wie auch den Geist. Wie weit du am gemeinschaftlichen Leben teilnehmen willst, kannst du selbst entscheiden.
Gut Saunstorf: Informationen & Anfahrt
Adresse: Am Gutspark 1, 23996 Bobitz. Das Gut Saunstorf liegt im Nordwesten von Mecklenburg Vorpommern, nahe der Hansestadt Wismar.
Anreise mit dem Auto
Auf der Autobahn A20 nimmst du von Hamburg aus die Ausfahrt „Bobitz“. Von Berlin aus nimmst du die Ausfahrt „Wismar Mitte“ und gelangst anschließend über die B208 Gadebusch/Ratzeburg nach Saunstorf. Am Ortseingang gibt es einen kostenlosen Parkplatz für Gut Saunstorf-Gäste.
Anreise mit der Bahn
Der nächstgelegene Bahnhof heißt Bobitz und ist ungefähr zwei Kilometer vom Gutshaus entfernt. Zwischen 8:30 und 17:00 kann man sich hier nach vorheriger Absprache abholen lassen, zu anderen Uhrzeiten empfihelt sich ein Taxi (am besten ebenfalls einen Tag zuvor beim Gutshaus vorbestellen).