Blöchla sind eine Gebäckspezialität aus dem Frankenwald. Das Blöchla ist ein röhrenförmiges Schmalzgebäck, das traditionell zu Festtagen gebacken wird. Um knusprige, goldbraune Blöchla herzustellen, bedarf es mehrerer Zutaten: Geduld, effizientes Teamworking, ein Blöchlaeisen und ein Rezept, das jede Familie aus dem Blöchla-Gebiet seit Jahrhunderten hütet.
Inhalt des Artikels
Wo gibt es Blöchla?
Zum ersten und bisher einzigen Mal habe ich Blöchla in der Festungsstadt Kronach, am Fuße des Frankenwalds gegessen. Weil ich ja sowieso immer auf der Suche nach den besonderen Gebäckspezialitäten einer Region bin, war ich bereits im Vorfeld der Reise ganz scharf auf die süßen Teilchen.
Fündig wurde ich in der Kronacher Bäckerei am Bamberger Tor und war augenblicklich hin und weg. Das erste Blöchla habe ich direkt vor Ort verzehrt, das zweite habe ich in die Tasche gepackt, als Proviant für die Heimreise nach Berlin. Und spätestens da habe ich gemerkt: so ein Blöchla, das ist ein recht kapriziöses Gebäck. Erst zeigt es dir seinen Unmut darüber, in eine Tasche gequetscht zu werden, indem es sich mit ordentlichen Fettflecken revanchiert, die sich durch die Papiertüte auf deinen Tascheninhalt verteilen. Im gleichen Atemzug dann sagt es dir noch ganz deutlich: ich bin kein To-Go-Blöchla – indem es in tausend Teile zerbröselt.
Kronach, das Blöchla-Epizentrum
Das Blöchla-Epizentrum ist also in Kronach, es gibt aber auch noch andere Orte im Frankenwald, an denen du Blöchla in der Bäckerei kaufen kannst. Am praktischsten ist es natürlich, wenn du dir Freunde im Frankenwald machst, die dich mal zum Blöchla-Essen einladen.
Was bedeutet „Blöchla“?
Der Name kommt übrigens von den Flößern, die extradicke Baumstämme so nannten – und so ein Blöchla ist die ideale Mahlzeit für körperliche harte Arbeit (und natürlich auch Sightseeing!)
Mythos Blöchla
Blöchla-Backen, das macht man nicht einfach so. Nur zu besonderen Gelegenheiten wird das Blätterteiggebäck hergestellt und schon allein der Zubereitungsprozess ist ein Event, bei dem traditionellerweise die Frauen einer Familie zusammenkommen. Eine Frankenwälderin konnte ich dazu bewegen, ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern, um einer Nicht-Eingeweihten wie mir den Mythos Blöchla etwas näherzubringen. Nicole ist Autorin und Touristikerin und weiß so ziemlich alles, was man über Blöchla wissen kann – die perfekte Interviewpartnerin für eine Blöchla-Novizin wie mich.
Meine erste Erinnerung an Blöchla geht weit in meine Kinderzeit zurück. Da war ich vielleicht fünf oder sechs Jahre alt. Für mich war es immer total klasse, wenn ich beim Backen die „Butten“, also die kaputten Blöchla essen durfte. Manchmal durfte ich dann sogar eins oder zwei selber in Zimtzucker wenden. Ich weiß noch, dass die im Wohnzimmer meiner Oma auf Packpapier gestellt wurden und wie beim Backen das ganze Haus danach gerochen hat. Das ist ein ganz satter, reicher Geruch nach Butter und Zucker und Rahm.
Der Geruch bringt immer ein Stück weit dieses Zuhause-Gefühl mit sich, genau wie der Geschmack, wenn die Blöchla noch ganz leicht warm sind und so zerbrechlich, dass du sie kaum anfassen kannst.
Blöchla-Herstellung: ein echtes Event mit langer Tradition
Bei uns in der Familie wurden Blöchla von den Frauen gemacht. Für mich als Kind war das so richtig geheimnisumwittert, weil nicht jeder ohne weiteres mitmachen durfte. Die Frauen haben sich schon sehr früh getroffen, meist ab 5.00 Uhr früh. Der Teig selbst wird am Vorabend zubereitet, damit er über Nacht gekühlt werden kann und fest wird.
Am Backtag dann treffen sich die Frauen in der Früh und beginnen mit dem Ausrollen. Je nach Menge haben das drei bis vier Frauen übernommen. Der Teig muss hauchdünn ausgenudelt werden, eben so dünn, dass man Zeitung durch den Teig lesen kann. Dann wird er geritzelt, also in die passenden Formen geschnitten. Wir nehmen dazu die kleinen Teigrädchen (bei uns heißen die Ritzel), die man auch für Ravioli oder Maultaschen verwendet. Mein Oma hat heute noch das, mit dem sie meine Erstkommunionblöchla ausgeschnitten hat.
Dann gibt es die Frauen, die die Blöchla an das Eisen legen. Dazu muss ein schmaler Streifen in Eiweiß getaucht werden, damit es zusammenklebt und nicht aufgeht. Dann wieder gibt es die Frauen, die die Blöchla ausbacken. Das Fett an sich ist ebenfalls eine Wissenschaft, wir verwenden nur (Achtung Markennennung) Palmin, weil es reines Kokosfett ist. Da gibt es noch nicht mal eine Abweichung von der Marke.
Die Blöchla selbst müssen in unserer Familie beim Backen Blasen werfen, d.h. der Teig darf nicht glattgebügelt bleiben, sondern muss blasig sein.
Nach dem Ausbacken muss das Gebäck ein bisschen abkühlen und dann wird es in einer Mischung aus Zucker und Zimt gewendet. Dazu darf es nicht zu heiß und zu kalt sein. Ist es noch zu warm, dann ist es sehr, sehr weich und empfindlich und bricht leicht. Ist es zu kalt kann es passieren, dass es den Zucker nicht mehr annimmt.
Du kannst auch nicht einfach so mal die Posten tauschen, weil da jede auf ihrem Gebiet Spezialist ist. Blöchla erfordern viel Fingerfertigkeit. In meiner Familie (und wahrscheinlich in allen anderen auch) werden nur die schönsten Blöchla verschenkt. Die, die auch nur ansatzweise nicht so aussehen wie sie sollen, werden nicht in die Austragstüten gepackt. Wenn du also in die Riege der Bäckerinnen offiziell aufgenommen wirst ist das fast sowas wie ein Initationsritus. Von da an gehörst du zum inneren Kreis.
Alleine machen ist sehr schwer bis unmöglich, du musst zumindest zu zweit sein, aber besser noch zu dritt. Weil du die Schritte zügig ausführen musst. Aber sag niemals nie. Es gibt mit Sicherheit BäckerInnen, die das auch alleine machen.
Blöchla backen: Utensilien und Zutaten
Du brauchst eine starke Küchenmaschine, weil der Teig sehr homogen sein muss. Laut meiner Oma musste in der Vorküchenmaschinenzeit der Teig eine ganze Stunde von Hand geknetet werden. Heute reichen ca. 10 bis 15 Minuten in der Maschine und nochmals 15 Minuten von Hand. Dann benötigst Du ein Teigrädchen, damit du den Teig ausritzeln kannst.
Du brauchst Backpapier, weil du die ausgeschnittenen Teiglinge ja irgendwo zwischenlagern musst, bis du sie ausbäckst.
Es werden spezielle Blöchlaeisen benötigt, damit du die Blöchla ausbacken kannst. Die gibt es mit verschiedenen Durchmessern. Wir verwenden die kleineren, während Familien in Teuschnitz oder Wickendorf eher zu den größeren tendieren.
Du brauchst einen hohen Topf, damit du die Eisen ins Fett tauchen kannst.
Dann natürlich noch Kleinkram wie Packpapier (kein Backpapier) zum Hinstellen der Blöchla, einen Holzlöffel, falls Teig an den Eisen kleben bleibt (immer dann, wenn du aus Versehen das Eiweiß auf das Eisen kriegst)
Ein großes Kuchenbrett, damit du die Teiglinge auf dem Backpapier darauf ablegen kannst. Schüsseln oder Wäschekörbe, damit du die Sträubla aufbewahren kannst. Und Butterbrotpapier zum Auslegen der Körbe/Schüsseln
Blöchla Rezept: ein streng gehütetes Geheimnis
Ich dachte, ich kann’s ja mal versuchen. Ganz beiläufig fragte ich: „Nicole, wie ist eigentlich euer Familienrezept für Blöchla?“ Und jetzt ratet mal, was die Antwort war:
Jede Familie hat natürlich ihr eigenes Rezept. Unseres ist wohl weit über hundert Jahre alt. Ich musste meiner Oma versprechen, dass ich es nicht ins Internet stelle ;-).
Natürlich werden die Sachen über die Jahrzehnte angepasst und die Frauen sammeln untereinander Rezepte und tauschen sie aus. Allerdings bleibt das immer innerhalb der erweiterten Familie. Es ist undenkbar, dass man einfach an irgendjemanden das Familienrezept gibt. Oftmals helfen sich die Bäckerinnen untereinander beim Backen, aber das Rezept gehört dann zu demjenigen, der die Festlichkeit hat. Wenn meine Oma also bei der Nachbarin mitgebacken hat, dann wurde das Rezept von der Nachbarin genommen und die Oma hat nur beim Backen mitgeholfen.Das geht tatsächlich bis zum Fett! (hier insbesondere wenn es um Sträubla geht)
Missgeschicke beim Blöchla-Backen
Zu einer Hochzeit wollten unsere Bäckerinnen extra tolle Blöchla backen und haben verschiedenes Fett gemischt. Das Ergebnis war, dass die ersten zwei Wäschekörbe voll mit Blöchla quasi nicht vorzeigbar waren, weil sie keine Blöchla geblieben sind, sondern in Stückchen herauskamen. (Umgangssprachlich sagen wir „zerfahren“ dazu). Du kannst dir vorstellen, es war desaströs. Die Frauen waren kurz vor der Verzweiflung und hatten überhaupt keine Idee, was los war. Es gibt glaube ich gefühlt keine größere Schande, als wenn du es nicht schaffst, deine Blöchla und Sträubla ordentlich zu backen.
Mein Opa, der immer der Vorkoster war, kam von der Schicht in der Glashütte und hat sich die Sache angesehen. Und fragte natürlich: „Habt ihr irgendwas anders gemacht als sonst?“ Großes Rätselraten, bis endlich jemand drauf kam, dass es anderes Fett als sonst war. Mit dem Ergebnis, dass sie die restlichen mit dem normalen Fett wie immer gebacken haben und die hervorragend wurden. Für die Ausschussware wurde ein neuer Teig gemacht dann am nächsten Tag nachgebacken.
Mein Opa war ein stiller Mann, der eher in einzelnen Sätzen gesprochen hat, als im Fließtext. Unser Dialekt dazu und es konnte ziemlich rau wirken, obwohl mein Opa der sanftmütigste Mensch war, den man sich vorstellen konnte. Der einzige Satz, den er zu dem Palmin-Gate zu sagen hatte, war (stell dir bitte den derben fränkischen Dialekt dazu vor J ): „Weil die Sakramenten aber auch immer was anderes machen müssen, wenn es um was geht.“ Heute würde man wohl sagen: „Never touch a running system!“
So schmecken Blöchla – in 3 Worten
Familie – Heimat – Mehr
Blöchla-Expertin Nicole Wittig
Nicole ist in Haßlach bei Teuschnitz aufgewachsen, und nachdem sie 14 Jahr in Bamberg und Fürth verbrachte, lebt sie nun wieder in der Heimat im Haus ihrer Uroma. Wenn sie nicht gerade Blöchla backt, arbeitet sie als Touristikerin für die Rennsteigregion Frankenwald und hat zudem gerade ihren ersten Fantasy-Roman „Mercator“ herausgebracht.
Alle Fotos sind Eigentum von Nicole Wittig.