Es gibt Orte, die servieren ihre Geschichte auf den Tellern, und Doe’s Eat Place in Greenville, Mississippi, ist einer davon. Das unauffällige, weiße Haus, etwa 15 Minuten vom Ufer des Mississippi entfernt, hat sich einen Namen gemacht – nicht durch eine ausgeklügelte Marketingstrategie, sondern durch das, was hier zählt: Gutes Essen und unprätentiöse Gastfreundschaft. Hier sitzt man nicht nur am Rand des Geschehens – man ist mittendrin.
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Delta-Delikatessen
Als mir klar wurde, dass wir bei unserem Roadtrip durch das Mississippi Delta auch in Greenville vorbeikommen würden, war ich direkt aufgeregt: Chefkoch Anthony Bourdain war für die Mississippi-Folge seiner „Parts Unknown“-Reihe hier bei Does eingekehrt und das Restaurant stand schon lange auf meiner Wunschliste.
Mit Orten, an denen Bourdain schon gespeist hat, ist das immer so eine Sache. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass es sich um einen guten Laden handelt, denn schließlich wurde ihm dieser einst von Einheimischen oder Bekannten empfohlen. Im Nachhinein zeigt sich oft der Bourdain-Effekt – Fluch und Segen zugleich.
Ob sich Doe’s Eat Place seinen ursprünglichen Charme bewahrt haben wird oder ob es sich auf dem Ruhm ausruht?
Grill, Glut und Geschichte
Die Geschichte von Doe’s reicht weit zurück, bis ins Jahr 1903, als die Eltern von Dominick „Doe“ Signa hier einen Lebensmittelladen eröffneten. Was als Tante-Emma-Laden begann, entwickelte sich durch die turbulente Zeit der Rassentrennung zu einem Restaurant. Ironischerweise kamen damals weiße Kunden durch die Hintertür, um die Speisen zu genießen, die Doe eigentlich für seine afroamerikanischen Gäste zubereitete. Was als kleiner Hinterzimmerbetrieb begann, blühte schließlich auf, als immer mehr Kunden das Geheimnis der köstlichen Steaks entdeckten.
Doe’s Söhne, Charles und „Little Doe“, führen das Restaurant heute in der Tradition ihres Vaters weiter. Und während die Zeit ihre Spuren am Gebäude hinterlassen hat, trägt genau das zum unvergleichlichen Charme dieses Ortes bei. Jeder Bissen erzählt die Geschichte von Jahrzehnten – und jedes Gericht ist eine Hommage an die Geschichte des Mississippi.
Doe’s Eat Place heute
Zehn Jahre nach der Ausstrahlung der Episode. Meine Begleitung und ich treffen uns mit Lisa Winters und ihrer Kollegin Catherine Gardner vom lokalen Tourismusbüro zum Abendessen. Dass wir zu Doe’s gehen, scheint Zufall zu sein – oder vielleicht doch nicht. Schließlich ist es das wohl bekannteste Lokal in dieser neuntgrößten Stadt der Delta-Region.
Sobald man die Tür des weißen Hauses aufstößt und eintritt, ist man direkt mitten im Geschehen. Der Vorraum zum eigentlich Restaurant ist alles auf einmal: Empfang, Kasse, Shop – und Grill. Gleich links am Eingang, nicht zu übersehen und eine ganze Seitenwand einnehmend, befindet sich der massive Steakgrill. Nur einen Meter weiter werden die T-Bones, Porterhouses, Ribeyes, Sirloins und Tenderloins geschnitten. Eines haben sie alle gemeinsam: Sie sind riesig.
Steaks, Salat und ein bisschen Magie
Durch eine weitere Tür geht’s zum Gastraum. Wir sitzen direkt am Pass: Kein Meter trennt mich von Kathy, die hier den Salat zubereitet. Ihr zuzuschauen, wie sie das spezielle Hausdressing über die klein geschnittenen Salatblätter gibt und den Inhalt der großen Schüssel immer wieder durcheinanderwirbelt, ist großes Kino. Einst war es Florence Signa, die diese Tätigkeit mit großer Hingabe über 70 Jahre lang ausgeführt hat. Nun ist es Kathy, die das Vermächtnis von “Aunt Florence” weiterführt und Flos Dressing, eine Mischung aus Zitronensaft, Knoblauch und Olivenöl, ist bis heute unverändert.
Dass ein Steakrestaurant nicht nur für seine Fleischspezialitäten, sondern auch für seinen Salat bekannt ist, macht diesen Ort noch besonderer, als er eh schon ist.
Direkt nebenan verteilt Carla die Steaks auf Teller und wischt den Tellerrand sauber, dass sich auch ja kein Saucenspritzer verirrt. Ein paar Schritte weiter werden die Pommes in gusseisernen Pfannen frittiert und die Shrimps in Knoblauchbutter sautiert. Es ist heiß, laut und hektisch – und vor allem absolut wunderbar.
Unsere Gastgeberinnen sind mindestens so aufgedreht wie wir, sie lieben Doe’s und wollen diese Liebe mit uns teilen, indem sie einmal die Karte rauf- und runter bestellen. Steaks, fried shrimp, boiled shrimp, house salad, garlic bread – und hot tamales.
Delta-Tamales: Hot & Juicy
Greenville ist die Tamales-Hauptstadt des Mississippi-Deltas, hier gibt es sogar einen Tamales-Trail. Anders als die in Lateinamerika bekannten Tamales sind die Delta-Tamales kleiner, werden gekocht statt gedünstet, haben eine körnige Textur, weil Maisgrieß statt Maismehl verwendet wird, sind wesentlich stärker gewürzt und werden in der Regel mit dem Saft serviert, der beim Garen entsteht. Darüber, wie die Tamales in das Misssippi-Delta gekommen sind, gibt es unterschiedliche Theorien –eine besagt, dass mexikanische Wanderarbeiter, die durch das Delta zogen, ihre Tamale-Tradition mit italienischen Einwanderern geteilt haben.
Unsere Tamales, deren Rezept von Doe’s Frau Mamie verfeinert wurde, sind in Wachspapier eingewickelt, sehr saftig und äußerst würzig. Dadurch wird das Tamale stabiler und kann mit den Fingern gegessen werden. Ob man das Wachspapier mitisst oder nicht, bleibtmir bis heute ein Rätsel. Andere Tamales sind oft mit Blättern aus Maismehl eingewickelt und werden mit Messer und Gabel gegessen, aber bei Doe’s ist ja eh alles anders als sonstwo.
Anthony Bourdain hat bei seinem Restaurantbesuch kein Dessert gegessen, was ich damals, beim Schauen der Folge, nicht verstehen konnte. Lisa und Catherine bestätigten das, denn sie waren an jenem Abend tatsächlich anwesend und saßen nur einen Tisch weiter. Nach unserem üppigen Abendessen kann ich das Auslassen der Nachspeise durchaus nachvollziehen. Der ominöse Dessertmagen, in den normalerweise immer noch was reinpasst – wo ist er hin?
Wo Legenden speisen
Statt Nachtisch gibt es aufgeregtes Tuscheln. Im Nebenraum sitzt Prominenz. Das ist hier nichts Ungewöhnliches, wenn man die Wände betrachtet, die vollgepflastert sind mit Bildern von VIPs. Der besagte Gast scheint aber besonderen Kultstatus zu haben und Kathy findet, dass wir uns die Gelegenheit nicht entgehen lassen dürfen. Sie besteht darauf, uns vorzustellen und zwei Minuten später machen wir plötzlich ein Selfie mit Archie Manning, dem legendären Quarterback, der für die New Orleans Saints, die Houston Oilers sowie die Minnesota Vikings in der National Football League gespielt hat.
Pappsatt, glückselig und mit einem T-Shirt im Gepäck, auf dem eine Zeichnung des legendären Steak-Grills prangt, geht es zurück ins Hotel. Hat der Anthony-Bourdain-Effekt bei Doe’s Eat Place zugeschlagen oder nicht und wenn ja, hat sich das Restaurant dennoch seine ursprüngliche Authentizität bewahrt? Ich kann natürlich nur für mich selbst sprechen, und kann bestätigen, dass der Besuch bei Doe’s meine Erwartungen sogar noch übertroffen hat. Ein typisches Delta-Dinner in dieser Atmosphäre – besser geht’s kaum. Oder vielleicht doch? Bei der Verabschiedung raunt mir Lisa mit verschwörerischer Miene zu: Bis morgen – da gehen wir dann dahin, wo Anthony gegessen hat, als die Kameras nicht dabei waren. Doch das ist eine andere Geschichte für einen anderen Tag.
Offenlegung: Diese Recherche erfolgte auf Einladung von Visit Mississippi. Vielen Dank für die Unterstützung! // Dieser Artikel enthält Affiliate Links (mit einem * gekennzeichnet oder als Werbe-Einschub von GetyourGuide). Wenn du etwas über diesen Link buchst oder kaufst, erhalte ich eine kleine Provision, während sich für dich nichts am Preis ändern sollte. Vielen Dank für den Support meiner Arbeit!