Regional, modern, aber nie ohne die eigenen Wurzeln zu vergessen: Slowenien hat sich in den letzten Jahren zur Topdestination für Gourmets entwickelt. Nicht nur in der Hauptstadt Ljubljana schlägt sich der Aufschwung in der Entstehung neuer Restaurants mit jungen, engagierten Köchinnen und Köchen nieder – besondere kulinarische Erlebnisse sind überall in dem kleinen Land zu finden.
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Ana Roš – Hiša Franko
Die neue Zeitrechnung in Slowenien begann im Jahr 2002, auch wenn sie da noch nicht ersichtlich war. Zu diesem Zeitpunkt hatte Ana Roš gerade ihr Studium abgeschlossen und sich gegen eine diplomatische Karriere und für ein Leben in der Gastronomie entschieden.
Der Zeitpunkt war günstig – die Eltern ihres (heutigen Ex-) Mannes waren bereit sich zur Ruhe zu setzen und ihren Betrieb, ein traditionelles Restaurant in Kobarid im idyllischen Soča Tal, in andere Hände zu geben. Das Hiša Franko war von nun an unter der Ägide von Valter Kramar und Ana Roš.
Bis aus Ana Roš die beste Köchin Sloweniens und ein Superstar wurde, musste sie viele Teller und Tabletts tragen und einiges an Überzeugungsarbeit leisten – als jemand, der laut ihrer Mutter früher “nicht mal ein Spiegelei braten konnte” wollte sie auf einmal die Kellnerschürze niederlegen und stattdessen mit klassischen slowenischen Gerichten in der Küche experimentieren.
Der Rest ist Geschichte – und die Auflistung ihrer Auszeichnungen (2017 “Beste Köchin der Welt”, 2019 Kür des Hiša Franko als eines der 30 besten Restaurants der Welt, 2020 zwei Michelin-Sterne) nur ein Aspekt ihres rasanten Erfolgs.
Was man Ana Roš neben vielem anderen noch zuschreiben kann, ist die Tatsache, dass sie mit ihrem Ansatz nichts Geringeres als als eine Revolution in der slowenischen Gastronomie losgetreten hat.
Slowenien ist „Europäische Gastroregion 2021“
Heute gilt Slowenien als Top Reiseziel für Foodies und Gourmets, als Land der Spitzenköche und einer regionalen Küche, die sich stets erneuert ohne die Tradition zu vergessen. Der Titel „Europäische Gastroregion 2021“ trug zudem zum Aufschwung einer Gastronomie bei, die hohen Wert auf lokale Spezialitäten und Nachhaltigkeit legt.
Neben den großen Namen Ana Roš (Hiša Franko) und Luka Košir (Gostišče Grič) gibt es viele Köchinnen und Köche, die den Ruf Slowniens als Feinschmeckerdestination weiter verfestigen.
Zwei davon stelle ich heute vor – zwei unterschiedliche Köche, zwei völlig unterschiedliche Restaurant-Erlebnisse, jedes davon auf seine Art einzigartig. Und zum Schluss gibt’s noch ein ganz besonderes Betthupferl.
Gregor Vračko – Hiša Denk
„Servus!” – fast wäre ich mit den zwei Typen im feinen Zwirn zusammengestoßen, die aus der Tür rauskommen, die ich gerade schwungvoll aufgerissen habe. Sie wollen raus, eine rauchen, ich rein, etwas essen. Dass ich hier auf Österreichisch begrüßt werde, ist nicht weiter verwunderlich, denn das Hiša Denk befindet sich gerade mal vier Kilometer von der Grenze entfernt und ist ein beliebtes Ziel für Gourmets aus der Steiermark.
Hier, im Nordosten Sloweniens in der Region Štajerska (einst: Untersteiermark), hat Gregor Vračko das Gasthaus seiner Eltern einmal von links auf rechts gekrempelt. Auf der Karte findet man heute keine typischen Balkan-Klassiker wie Cevapcici mehr, stattdessen eine avantgardistische Küche auf allerhöchstem Niveau, die dem Wirt und Koch einen der ersten sechs Michelin-Sterne, die überhaupt jemals an ein slowenisches Restaurant verliehen wurden, einbrachte.
In dem modernen Gebäude, das aus viel Glas und Holz besteht, servieren Gregor Vračko und sein Team detailverliebte Gerichte, die auf saisonalen Zutaten und regionalen Produkten basieren. Bei der spannenden Lage zwischen Alpen und Adria gibt es hier also so einiges, was auf dem Teller landet, ein großer Fokus liegt auf Fisch- und Meeresfrüchten.
Eine Speisekarte suchst du hier übrigens vergebens – im Hiša Denk essen zu gehen, das bedeutet immer auch, sich überraschen zu lassen und, im wahrsten Sinne des Wortes, mal über den eigenen Tellerrand zu schauen.
Deine Entscheidungmöglichkeiten beschränken sich auf die Anzahl der Gänge, die dein Menü beinhaltet (drei, fünf oder sieben) und ob du lieber omnivor oder vegetarisch speisen willst.
Mehr Wahlfreiheit hast du bei den Getränken – die Weinkarte gilt als eine der vielfältigsten des Landes und listet auch diverse Sorten des derzeit so angesagten “Orange Wine” auf. Falls du am Restaurantabend Fahrer oder Fahrerin bist, halb so schlimm: Uns wurde ein frisch gepresster Birnensaft angeboten, den ich zuvor noch nie so gut getrunken habe.
Zum Essen gibt’s nicht viel zu sagen, außer: Jeder Gang eine Offenbarung, jedes Schäumchen, jedes Sößchen eine Geschmacksexplosion. Der Rest bleibt ein Geheimnis – zumindest so lange, bis du dich selber aufmachst, um die außergewöhnliche Küche Gregor Vračkos am eigenen Leib zu erfahren.
Hiša Denk, Zgornja Kungota 11a, 2201 Zgornja Kungota, Slowenien
Jure Tomič – Ošterija Debeluh
Weiße Turnschuhe mit dicker, dämpfender Sohle. Die tragen nicht nur die Kellnerinnen und Kellner, sondern auch der Chef des Hauses selbst. Das ist allerdings nicht das erste, was auffällt, wenn man die Ošterija Debeluh in Brežice im Osten Sloweniens betritt. Das erste, das ist die sehr farbenfrohe Einrichtung, bei der man nicht genau weiß, ob sie jetzt wirklich ernst gemeint oder ob da ein wenig Augenzwinkern dabei ist – und die genau deshalb so gut an diesen Ort passt, bei dem nichts nach Schema F läuft.
Seit über 20 Jahren besteht das Restaurant als Familienunternehmen, in dem neben Chefkoch Jure Tomič auch sein Bruder sowie Mutter und Vater wirken und werken.
Während einige der neuen Generation an slowenischen Köchen den traditionellen Balkangrill verbannt haben, spielt er in der Ošterija Debeluh eine zentrale Rolle – mit Papa Dok Tomič höchstpersönlich als Grillmeister.
Die Ausführung der Gerichte von Jure Tomič ist weniger aufwändig und kompliziert als man es von anderen Fine Dining Restaurants gewöhnt ist, was sie aber nicht weniger besonders macht. Das Talent und die technischen Fertigkeiten des Kochs sowie die hohe Qualität der Zutaten und ein besonderes Händchen für Aromen sorgen dafür, dass sich Jure Tomič weltweit einen Namen machen konnte und die Ošterija Debeluh offiziell ein Guide-Michelin-Restaurant ist.
Die regulären À-la-carte-Gerichte variieren je nach Saison, die verschiedenen Mehrgänge-Menüs (vier, sechs und acht) fallen je nach Gusto des Chefs und den gerade vorhandenen Zutaten aus. Bei unserem Besuch im Oktober spielte ein local hero einen bedeutenden Part: Kürbis in jeder noch so erdenklichen Form.
Jure Tomič ist nicht nur Wirt und Koch, sondern auch Sommelier, deshalb versteht es sich von selbst, dass sich auf der Karte viele Spitzenweine wiederfinden – ein Großteil davon slowenisch, wie zum Beispiel die Weine von Keltis und anderen renommierten einheimischen Winzern.
Ich könnte dir jetzt noch viel mehr erzählen; von Haute-Cuisine-meets-Hausmannskost, vom besten Pastagericht, dass ich außerhalb jemals gegessen habe oder vom Absacker, der es in sich hatte. Mache ich aber nicht – stattdessen gibt’s ein paar Bilder und die ausdrückliche Empfehlung, die Ošterija Debeluh einmal selbst zu besuchen. Fun Fact zum Schluss: “Debeluh” heißt in etwa “dicker Mann” – keine Ahnung, wen Jure Tomič damit meint, sich selbst augenscheinlich nicht.
Ošterija Debeluh, Trg Izgnancev 7, 8250 Brežice, Slowenien
Matevž Božič – XOCOC
Als wir mit dem Auto von Brežice nach Ptuj, die älteste Stadt Sloweniens fahren, ist es ständig grün um uns herum: Das Hügelland der Posavje mit seinen Weinbergen ist satt und saftig.
Grün ist auch der “signature dish” des Chocolatiers Matevž Božič, der sein Pralinenatelier inmitten der Ptujer Altstadt hat: Eine grasgrün schillernde Praline, gefüllt mit Immortelle, auch bekannt als italienische Strohblume oder Currykraut.
Die Essenz der buschigen Strauchpflanze wurde bereits im Mittelalter als Heil- und Küchenpflanze verwendet und hier findet sie nun ihren Weg in die edlen Schokoladenkreationen von Matevž Božič. Übrigens nur eine von vielen außergewöhnlichen Zutaten – der ehemalige Koch des Michelin-Stern-Restaurants Hiši Denk hat auch in seiner neuen Berufung als Chocolatier nichts von seiner Kreativität eingebüßt.
Im kleinen Laden kann man verkosten und kaufen und man sollte durchaus mutig sein und dem Meister vertrauen: Himbeere und Rote Beete oder Pistazie-Meerrettich klingen zwar ungewöhnlich, funktionieren als Pralinenfüllung aber überraschend gut (bei der Zwiebelpraline waren die Meinungen allerdings gespalten).
Fazit: Wer nicht nur vor Ort selbst die gastronomischen Erzeugnisse Sloweniens genießen, sondern auch seinen Lieben zu Hause etwas mitbringen möchte, der sollte unbedingt eine (oder zwei oder drei) der Pralinenboxen von XOCOC erstehen.
XOCOC, Slovenski trg 9, 2250 Ptuj, Slowenien