Zuletzt aktualisiert am 1. Februar 2024
Inhalt des Artikels
Mein wichtigster Lauf seit zwei Jahren
Am 9. April bin ich den St. Louis Halbmarathon gelaufen – insgesamt mein dritter Halbmarathon, aber der erste seit über zwei Jahren, und deshalb hat es sich eigentlich angefühlt wie der allererste überhaupt.
Das war kein leichter, dafür ein umso wichtiger Lauf für mich. Wer meine Vorgeschichte voller Verletzungen, Tiefs und Motivationsproblemen kennt, kann sich vorstellen, wie stolz und glücklich ich bin, dass ich die 21 Kilometer in St. Louis geschafft habe. Diese Medaille habe ich mir wirklich hart erarbeitet!
Aber erstmal von vorne: Warum überhaupt St. Louis? Private Gründe führten mich in die Stadt am Mississippi: mein Freund ist dort geboren, seine Eltern leben immer noch dort. Genauso wie Nelly, Karlie Kloss und leider nicht mehr Chuck Berry, denn der hat kurz vor unserer Ankunft das Zeitliche gesegnet. Das Datum unseres Besuchs haben wir bewusst so gewählt, dass wir am Halbmarathon teilnehmen können.
St. Louis (Halb-)Marathon – Fakten & Zahlen

Der Halbmarathon ist in das große Laufevent GO! St. Luis eingebettet, das insgesamt 11 verschiedene Wettbewerbe umfasst. Dazu gehören neben dem HM ein voller Marathon, eine Marathonstaffel, ein 7K sowie 5K und noch einige andere Läufe. Insgesamt 25.000 Läufer, Walker und Rollstuhlfahrer/Handbiker verteilen sich auf zwei Tage, an denen die unterschiedlichen Rennen stattfinden.
St. Louis Halbmarathon – Die Strecke

Start und Ende des Halbmarathons war St. Louis Downtown, direkt an der größten Sehenswürdigkeit der Stadt, dem St. Louis Arch. Wegen des großen, prägnanten Bogens (in dem man übrigens auch hochfahren kann um Missouri und Illinois von oben anzugucken) wird St. Louis auch „Arch City“ genannt. In diesem Jahr wurde die Streckenführung neu ausgerichtet, was zur Folge hatte, dass die meisten Hügel am Anfang und nicht am Ende des Halbmarathons waren. Und lasst Euch versichern, Hügel waren einige dabei! Die erste Steigung kam sogar schon während der ersten Meile. Denn, was in der Theorie eine super Idee ist (eine Brückenüberquerung über den Mississippi, also im Laufschritt von Missouri nach Illinois), geht in der Praxis ganz schön in die Beine. Von Downton ging es also rüber in den Nachbarstaat, dort, wo das berühmt-berüchtigte East Saint Louis liegt. Der Vater meines Freundes schwelgt noch in Erinnerungen aus den guten alten Zeiten. Denn wenn in Missouri längst Sperrstunde war, ging man einfach über den Fluss. Dort konnte man weiter trinken und feiern – und bei einer Stripshow oder anderen Vergnügungen die Nacht zum Tag werden lassen. Von damals zeugen nur noch ein paar alte Gebäude und Schilder. Heute gleicht das einstige Partyviertel einer Geisterstadt und wie ich gehört habe, gilt die Gegend als No-Go-Area. Ein Blick in die Lokalnachrichten genügt, um diesen Eindruck zu bestätigen. Durch East Saint Louis zu laufen war dennoch etwas ganz besonderes, man konnte den Geist der alten Zeit tatsächlich noch spüren.

Nach diesem kleinen Ausflug auf die andere Seite ging’s auch schon wieder zurück nach Missouri. Die nächste Sehenswürdigkeit war das Busch-Stadium, Heimat des örtlichen Major League Baseballteams, den St. Louis Cardinals, die ich ein paar Tage zuvor im Lokalderby gegen die Chicago Cubs habe verlieren sehen. Go, Cardinals! Kurz danach das nächste Highlight: die Laufstrecke führte durch die Anheuser Busch Brauerei, wo gerade ein paar Budweiser zusammengebraut wurden. Nicht unbedingt mein Lieblingsgetränk, aber der Hopfenduft der in der Luft lag war ziemlich angenehm. Kurz vor Meile 10 trennten sich die Halben von den Ganzen – der Marathon ging weiter in Richtung Westen, während es für uns Halbmarathonis in einer Schleife zurück zur Start- bzw. Finishline ging. Insgesamt kann man sagen, dass es sich um eine super interessante Strecke handelt, bei der es einiges zu sehen gibt. Bei unter 5.000 Halbmarathonläufern und um die 1.000 Marathonläufern, mit denen man sich die Strecke teilt, hat man immer genug Platz und fühlt sich nie gedrängt oder zurückgehalten. Vor allem vor den Brücken und noch ein paar weitere Male hatte ich entweder mit Wind und/oder den Steigungen zu kämpfen, die ich aus Berlin überhaupt nicht gewohnt bin. Note to self: unbedingt Hill Training in das Lauftraining mit einbauen.
St. Louis Halbmarathon – Die Verpflegung

An insgesamt 17 Getränkestationen konnten sich die Läufer mit Wasser und Gatorade versorgen. Das war auch nötig, denn während es um 7 Uhr Morgens zu Beginn des Laufs noch angenehm kühl war, heizte sich das Wetter extrem schnell auf. Schon um 8 Uhr war es so warm und die Luftfeuchtigkeit relativ hoch, dass ich wirklich an jeder einzelnen Station angehalten habe, um einen Schluck Wasser zu trinken. Weiterhin gab es eine Station mit Energy-Gels und eine weitere, mit, ja richtig, Schokolade. Neben den offiziellen Versorgungstationen sorgten vor allem die Zuschauer dafür, dass es uns Läufer gut ging. Was uns schon zum nächsten Aspekt des St. Louis Halbmarathons führt: der Atmosphäre an der Strecke.
St. Louis Halbmarathon – Die Atmosphäre
Ich bin verwöhnt vom Berliner Halbmarathon: Ab dem Strausberger Platz ist auf 21 Kilometern quasi durchweg Party. Ich war also relativ gespannt, was mich bei einem weitaus kleineren Lauf, mit gerade Mal einem Siebtel an Teilnehmern erwarten würde. Denn wer Läufer ist, weiß, wie wichtig die Unterstützung an der Strecke, sei es von Fremden oder Freunden, ist. Hier hat mich St. Louis positiv überrascht. Es gab zwar eindeutig weniger Cheering Squads und auch weniger Zuschauer, gemessen an der Größe und (nationalen) Bedeutung des Laufs kann man den Support an der Strecke aber durchaus als fantastisch bezeichnen. Wir befinden uns hier nicht im Laufverrückten New York/London/Boston/Berlin, sondern in einer Stadt, in der Baseball und Eishockey regieren. Und gerade deshalb: Hut ab, St. Louis! Menschen mit Schildern (neben den bekannten Sprüchen viele neue, sehr lustige Anfeuer-Sprüche – leider leider ist ziemlich früh mein Handy eingefroren, so dass ich keine Fotos mehr machen konnte ohne zu befürchten, dass sich mein Runtastic aufhängt). Neben Jared’s und meinen offiziellen Jublern (Danke, Janet & Herb, James & Nora!) viele fremde Menschen, die meinen Namen gerufen haben: „Looking good, Sandra“, „Go Sandra, you got this!“, „Go, Sandra, go!). Ein Typ, der Cookies verteilte, ein anderer mit Kaubonbons und irgendwann rief jemand „beers and pretzels“, was ich allerdings immer noch für ein Gerücht halte. Meine Mitläufer waren durchweg sympathisch, ich weiß nicht, ob’s am ausreichenden Platz oder der weniger wettbewerbsorientierten Mentalität lag, aber Gedrängele, Schubserei oder Aggro-Gehabe waren hier Fehlanzeige.

Die beste Party ging übrigens an der Howards Bar ungefähr bei Meile 8. Hier wird in Tier-Onesies getrunken und getanzt und das zusammen mit der lauten Musik ist so ziemlich der beste Energiepush den man sich nach 13 hügeligen Kilometern wünschen kann. Hier hatte mein Handy übrigens genug und ist „eingefroren“ – Fotos machen ging nicht mehr, beziehungsweise ich hatte Sorge, dass dadurch mein Runtastic abstürzen konnte. Deshalb freue ich mich sehr, dass ich das Foto von RealLifeStl nutzen darf (schau‘ unbedingt mal auf Facebook oder Instagram vorbei, wenn du dich für St. Louis interessierst!)
St. Louis Halbmarathon – Celebrities

Zwei interessante Begegnungen hatte ich während meines Laufs: zum einen „Marathon Maniac“ Larry, der in seinem Leben schon über 1.800 Marathons gelaufen ist (und das mit mittlerweile 72 Jahren!). Leider war ich zu schüchtern, ihn anzusprechen, deshalb gibt’s das Foto nur von hinten.
Etwas mutiger war ich dann bei Lisa Davis. Die ist ein ehemaliger Marine und hat den „Triple 7 Quest“ absolviert – und dafür einen neuen Rekord gesetzt. Was das bedeutet?: 7 Marathons auf 7 Kontinenten, in 7 Tagen, 3 Minuten und 27 Sekunden. Der St. Louis Marathon war dann nur noch das i-Tüpfelchen und just for fun – mit dem Stars Spangled Banner in der Hand und unzähligen Stops für Selfies ist sie die 42 Kilometer in 4 Stunden und 50 Minuten gelaufen.
Nach dem Lauf bin ich zweimal der Startnummer drei über den Weg gelaufen. Wie sich im Nachhinein rausstellte, handelte es sich dabei um Stannley Boen aus Kenia, jetzt wohnhaft in Texas, den Sieger des St. Louis Marathon. Hier habe ich leider kein Foto für Dich!
St. Louis Halbmarathon – mein Lauf

Dieser Halbmarathon war soooo wichtig für mich. Über zwei Jahre lang hatte ich mich nicht mehr an diese Distanz getraut. Erst letzten Herbst habe ich einen Halbmarathon, für den ich gemeldet war, zu einem 10K-Lauf umfunktioniert: zu untrainiert, zu unfit, mental einfach nicht stark genug. Von meinem Bandscheibenvorfall bin ich zwar mittlerweile so gut wie genesen. Doch das war nur einer der vielen Gründe, warum ich zum St. Louis Halbmarathon nicht top trainiert war. Die Wochen davor haben mir gezeigt, dass ein Halbmarathon möglich ist, dass eine gute Zeit aber eben nicht automatisch eine gute Idee ist. Deswegen war hier die Devise: Hauptsache finishen. Ich ging mit dem Vorhaben an den Start, den Lauf zu genießen, mir Zeit zu lassen, auch mal stoppen und zu dehnen, falls mein Körper das braucht. Und das habe ich getan. Endlich mal ein Lauf, auf dem ich so richtig viele Bilder machen konnte, haha. Ein paar Mal habe ich wegen der Anstiege geflucht, aber insgesamt hatte ich fast die ganze Strecke über ein großes Glücksgefühl. Als mir bei der letzten Meile klar wurde, dass ich es schaffe, dass ich endlich mal wieder einen Halbmarathon laufe, überkamen mich die Emotionen. Ins Ziel eingelaufen bin ich übrigens zu „Good Vibrations“ von Marky Mark and the Funky Bunch, a blast from the past und ein perfekter Abschluss für einen ganz besonderen Lauf. Und mit meiner Zeit, ein „personal worst“ von 2 Stunden, 21 Minuten und 17 Sekunden kann ich sehr, sehr gut leben.