Das Mississippi-Delta – ein Ort, an dem das Land so flach ist wie die endlosen Baumwoll-, Reis- und Sojafelder, die Geschichte so tief verwurzelt wie die alten Zypressen, die majestätisch am Flussufer stehen, und der Blues so durchdringend wie das Hupen der langen Güterzüge, die durch die Landschaft rattern und den Autofahrern an den Bahnübergängen viel Geduld abverlangen.
Dies ist nicht irgendein unbedeutender Flecken in den USA, sondern die Wiege des Blues, ein Schmelztiegel der Geschichte und eine kulinarische Region, die von frittiertem Catfish über Hot Tamales bis hin zu Barbecue reicht, das so zart ist, dass es auf der Zunge zergeht.
Inhalt des Artikels
Die Seele des Südens
Wer die Seele des Südens sucht, findet sie hier. Doch das Delta erzählt nicht nur von Musik, es ist auch ein zentraler Schauplatz der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Hier findet man nicht nur die Melodien des Blues, sondern auch die Spuren des Kampfes für Freiheit und Gleichberechtigung.
Meine Reise durch das Mississippi-Delta hat mich tief beeindruckt und manchmal war es fast zu viel an Erlebnissen, Erfahrungen und Begegnungen, um alles während eines Roadtrips verarbeiten zu können. Jetzt, mit ein paar Wochen Abstand, merke ich immer mehr, dass dies nicht mein letzter Besuch war. Vielleicht wird es nicht ganz so oft sein wie bei Günther, den ich in einem Juke Joint in Clarksdale kennengelernt habe – der Oberfranke kommt Jahr für Jahr für zwei Wochen hierher, um täglich Musik zu hören. Aber das Delta ist einer dieser Orte, die einen nicht mehr loslassen, wenn man sie einmal erlebt hat.
Warum das so ist und warum du eine Reise in diese besondere Region im Süden der USA unbedingt auf deine Travel-Bucket-List setzen solltest, verrate ich dir in diesem Artikel.
Auf einen Blick: Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten
Weiter unten im Text erzähle ich dir ausführlich über die Highlights und Geheimtipps während meines Roadtrips durch das Mississippi Delta. Hier in Kürze die wichtigsten Sehenswürdigkeiten:
- Clarksdale, die Wiege des Blues: Berühmte Juke Joints und gutes Soulfood
- Kanutour auf dem Mississippi in Clarksdale
- Grammy Museum in Cleveland: Spannend, interaktiv und macht extrem viel Spaß!
- Gateway to the Blues Visitor Center in Tunica: Hier kannst du sogar deinen eigenen Blues Song aufnehmen
- B.B. King Museum in Indianola: Alles über den King des Blues
- National Military Park in Vicksburg: Bürgerkriegsgeschichte
Von Memphis bis Vicksburg: Hier liegt das Mississippi Delta
Das Mississippi-Delta ist eigentlich kein Delta – es gibt keine fächerförmigen Schlammbänke. Stattdessen handelt es sich um eine so genannte alluviale Ebene – eine flache Fläche, die durch die Ablagerung von Sand, Schlamm und anderem Flussmaterial entstanden ist.
Diese Ebene, die als Mississippi Delta National Heritage Area vermarktet wird, erstreckt sich von Memphis im Nachbarstaat Tennessee bis nach Vicksburg im Süden und wird im Osten vom Yazoo River und im Westen vom Mississippi River begrenzt.
Was man sehen muss: Orte & Sehenswürdigkeiten
Clarksdale: Ground Zero des Blues
Clarksdale ist der selbsternannte „Ground Zero“ des Blues. Hier, an der berühmten Kreuzung der Highways 61 und 49, soll der Bluesmusiker Robert Johnson seine Seele dem Teufel verkauft haben, um im Gegenzug meisterhaft Gitarre spielen zu können.
Aber auch im Kampf um die Bürgerrechte spielte Clarksdale eine wichtige Rolle. Auf der African American Heritage Map, die im Büro von Visit Clarksdale (oder hier online) erhältlich ist, sind mehr als ein Dutzend Orte verzeichnet, die während der Bürgerrechtsbewegung im Mississippi-Delta eine Schlüsselrolle spielten.
Für Clarksdale sollte man auf einer Reise durch das Delta mindestens zwei, besser drei Nächte einplanen, zum Beispiel im sehr zentral gelegenen und modernen Travelers Hotel. Zum einen, weil es hier an sieben Tagen in der Woche Live-Musik gibt, in großen Blues-Clubs wie dem Ground Zero, der unter anderem von Morgan Freeman geführt wird, und in kleinen, schummrigen „Juke Joints“ wie dem Bad Apple, in dem die Luft zum schneiden dick ist und wo man sich dem Blues wirklich nahe fühlt.
Zum anderen, weil man in Clarksdale den Mississippi River auf eine ganz besondere Art erleben kann – bei einer geführten Kanutour mit der Quapaw Canoe Company.
Hier findest du einen ausführlichen Bericht über Clarksdale.
Cleveland: Kunst, Kultur und Bürgerrechte
Cleveland, eine kleine Stadt mit großer Bedeutung, ist eine weitere wichtige Station. Hier befindet sich das GRAMMY Museum Mississippi, das die Musikgeschichte des Deltas zelebriert. Dafür sollte man sich unbedingt ein paar Stunden Zeit nehmen, denn hier konsumiert man nicht nur passiv Fakten und Informationen, sondern kann sich sogar selbst an verschiedenen Instrumenten ausprobieren.
Mein Tipp für ein Restaurant mit typischem Southern Food (sehr empfehlenswert: Fried Crab als Appetizer) in sehr rustikalem Ambiente: Aiport Grocery (Adresse & Google Maps Link: 3608 US-61).
Für Livemusik und echtes Juke-Joint-Feeling empfehle ich The Blue Levee in Rosedale (Google Maps Link), unweit von Cleveland. Direkt hier ist auch eine der Straßenkreuzungen, die als mögliche Alternative zu den offiziellen „Robert Johnson Crossroads“ in Clarksdale gelten – ganz ohne Schild und nur für Eingeweihte sichtbar (wer nett fragt, bekommt von Visit Cleveland eventuell einen Hinweis).
Dockery Farms: Wo der Blues geboren wurde
Wenn man im Mississippi-Delta unterwegs ist, wird man immer wieder mit der Frage konfrontiert, wo der Blues eigentlich geboren wurde. Die Dockery Farms, eine ehemals 25.600 Hektar große Baumwollplantage und Sägemühle zwischen Ruleville und Cleveland, Mississippi, ist wohl genau dieser Ort.
Viele Blues-Legenden haben hier ihren Anfang genommen, wenn sie nach Feierabend oder nach einer langen und harten Arbeitswoche aufspielten (darunter auch der bereits erwähnte Robert Johnson).
Ruleville: Heimat von Fannie Lou Hamer
Ein weiterer wichtiger Ort auf der Reise durch das Mississippi-Delta wirkt auf den ersten Blick eher unscheinbar, und man muss schon ein wenig suchen, um das zu finden, wofür Ruleville bekannt ist. Die Kleinstadt war die Heimat von Fannie Lou Hamer, einer der wichtigsten Figuren der Bürgerrechtsbewegung. Der kleine Fannie Lou Hamer Memorial Garden erinnert an ihren Einsatz für die Rechte der afroamerikanischen Bürgerinnen und Bürger.
Greenwood: Das Herz des Mississippi Deltas
Auch in Greenwood gibt es viel über die Geschichte des Blues und der Bürgerrechtsbewegung zu erfahren. So kann man zum Beispiel die letzte Ruhestätte von Robert Johnson besuchen, der im Alter von 27 Jahren unter mysteriösen Umständen starb. An seinem Grab neben der Little Zion Church legen Besucherinnen und Besucher immer wieder kleine Geschenke nieder – bei meinem Besuch fand ich unter anderem eine Zigarettenschachtel und eine kleine Flasche Bourbon.
Ein wichtiger Ort für den Beginn der Bürgerrechtsbewegung ist Bryant’s Grocery & Meat Market, dessen Ruine hinter einem Zaun langsam verfällt. Hier begann die Tragödie des afroamerikanischen Jugendlichen Emmett Louis Till, der im Alter von 14 Jahren von dem weißen Lebensmittelhändler Roy Bryant und seinem Halbbruder J.W. Milam aus rassistischen Motiven ermordet wurde. Ein bedrückender Ort, von dem ich mir wünsche, dass er in eine Gedenkstätte umgewandelt wird, aber daran scheinen die Besitzer kein Interesse zu haben. Eine Statue von Emmett Till gibt es tatsächlich in Greenwood, aber dafür muss man etwa 10 Meilen (ca. 16 Kilometer) weiter südlich fahren. Sie steht im Rail Spike Park in der Nähe des Ortes, an dem der junge Mann 1955 gelyncht wurde.
Interessant ist auch die Baptist Town etwas östlich von Greenwood Downtown. Die Siedlung ist eines der ältesten afroamerikanischen Viertel in Greenwood und entstand in den 1800er Jahren mit dem Wachstum der lokalen Baumwollindustrie. Ein armes Viertel, das viele Bluesmusiker und andere Legenden hervorgebracht hat, wie den Schauspieler Morgan Freeman, der hier aufwuchs.
Und es gibt noch mehr Hollywood-Connections in Greenwood: Wer den mehrfach Oscar-nominierten Film „The Help“ aus dem Jahr 2011 gesehen hat, dem kommen vielleicht einige Schauplätze bekannt vor. Ein Großteil der Dreharbeiten fand hier statt und viele Einheimische waren als Statisten dabei.
Indianola: Der Geburtsort von B.B. King
Kein Geringerer als B.B. King, einer der einflussreichsten Bluesgitarristen, wurde in Indianola geboren. Und hier liegt er auch begraben. „See that my grave is kept clean“, sagte und sang er (der Song stammt ursprünglich von Blind Lemon Jefferson), und genau dafür sorgt das B.B. King Museum and Delta Interpretive Center, in dem sich sein Grab befindet.
Das Museum ist einerseits eine Hommage an den „King of the Blues“, andererseits beleuchtet es auch die sozialen und kulturellen Umstände, die den Blues geprägt haben – darunter die Bürgerrechtsbewegung.
Natürlich kann man in Indianola auch Blues live erleben, z.B. im Club Ebony, einer Institution, die ursprünglich 1948 gegründet wurde und in der sie alle schon aufgetreten sind: James Brown, B.B. King, Ike Turner, Ray Charles und viele mehr.
Eine nicht minder sehenswerte Institution befindet sich ganz in der Nähe: In Betty’s Place (Adresse & Google Maps Link: 301 Maine Street) gibt es authentisches Soul Food – am besten, man entscheidet sich für das Tagesmenü und lässt sich überraschen.
Greenville: Delta-Tamales und Südstaaten-Gastlichkeit
Greenville ist die Tamales-Hauptstadt des Südens, und wenn man die Gelegenheit hat, sollte man unbedingt die gefüllten Maisfladen probieren, die es hier an jeder Ecke gibt. Besonders gut schmecken sie in Doe’s Eat Place, einem familiengeführten Steakrestaurant, das durch den Besuch von Anthony Bourdain für seine Serie „Parts Unknown” einem breiteren Publikum bekannt wurde. Hier sitzt man mitten in der Küche und kann bei der Zubereitung zuschauen – und trifft vielleicht sogar auf die lebende Football-Legende Archie Manning, der wie viele andere lokale Helden hier gerne einkehrt.
Die Stadt, in der sich auch der Verwaltungssitz des Washington County befindet, hat eine bewegte Geschichte, die von einer Naturkatastrophe geprägt ist: Bei der großen Flut von 1927 trat der Mississippi über die Ufer und richtete verheerende Schäden an. Mehr darüber erfährt man in dem kleinen 1927 Flood Museum – das Ausmaß konnte ich mir erst vorstellen, als ich im Warfield Point Landing Mississippi stand und den Meterstab sah, der die tatsächliche Fluthöhe anzeigte: Sieben bis acht Meter hoch stand das Wasser auf den Feldern.
Weitaus erfreulicher ist ein anderes wichtiges Datum in Greenville: Am 24. September 1936 wurde im örtlichen Krankenhaus Jim Henson geboren. Henson wuchs im nahe gelegenen Leland auf und ist der Erfinder von Kermit dem Frosch und den Muppets. In seinem Geburtsort kann man heute das Museum „Birthplace of Kermit the Frog” besuchen.
Cyprus Preserve Trust: Zypressen im Wasser
So viel Geschichte, so viele Erlebnisse. Zeit zum Durchatmen findet man nur wenige Autominuten vom Stadtzentrum entfernt im Cypress Preserve Trust. Ein Biotop mit tief im Sumpf verwurzelten Zypressen – ein Bild, das früher typisch für das Delta war.
Im Laufe der Zeit mussten viele dieser Zypressenwälder den wachsenden Bedürfnissen der menschlichen Zivilisation weichen, und ab dem späten 19. Das widerstandsfähige Holz wurde für den Bau von Häusern, Booten und Eisenbahnschwellen verwendet. Der Cypress Preserve Trust sorgt dafür, dass zumindest ein kleiner Teil als ökologisches Biotop erhalten bleibt. Ein Pfad führt durch den Wald und über Stege, dazwischen gibt es Informationstafeln über die dort beheimatete Flora und Fauna. Für mich ein absolutes Highlight entlang des Weges, für das man etwa eine Stunde einplanen sollte. Achtung: Hier gibt es keine Toiletten, keinen Kiosk, kein Informationszentrum. Nur Bäume, Pflanzen und wenn man Glück hat, ein paar Schildkröten, die sich auf den Steinen im Wasser sonnen.
Tunica: Gateway to the Blues
Das Gateway to the Blues Visitors Center and Museum am Highway 61 ist der erste Ort, den man sieht, wenn man sich von Memphis Tunica nähert. Ein Stopp lohnt sich, um gleich ein Gefühl für das Mississippi Delta, den Blues und seine Geschichte zu bekommen.
Weitläufig ist Tunica ansonsten bekannt für seine Casinos und Resorts, hat aber neben Unterhaltung und Freizeit auch eine andere, historisch interessante Seite.
In den 1990er Jahren war Tunica noch eine der ärmsten Regionen der USA, heute kommen Besucherinnen und Besucher nicht nur wegen des Glücksspiels hierher. Das Tunica Museum erzählt vom Wandel der Region und beleuchtet die Geschichte von der Besiedlung durch die Native Americans bis zur Bürgerrechtsbewegung.
Ein weiteres interessantes Ausflugsziel befindet sich in der Nähe: Im Tunica River Park & Museum erfährt man mehr über den legendären Mississippi River und seine Bedeutung für die Region.
Und dann gibt es noch einen legendären Ort in Tunica, der einen Zwischenstopp wert ist: das legendäre Hollywood Café. Es wurde nicht nur von Marc Cohn in seinem Hit „Walking in Memphis“ besungen, hier wurde auch einer der legendärsten Snacks der Südstaaten erfunden: Fried Dill Pickles, frittierte Essiggurken mit Dill. Ein idealer Lunch-Stop mit Comfort Food und einer guten Portion Popkultur.
Vicksburg: Bürgerkriegs-Geschichte
Vicksburg liegt auf einem hohen Felsen am Ostufer des Mississippi und seinem Zusammenfluss mit dem Yazoo River. Die 1719 von französischen Siedlern gegründete Stadt hat mehr erlebt, als man sich vorstellen kann – vor allem im amerikanischen Bürgerkrieg, als Vicksburg zum entscheidenden Schlachtfeld wurde. Einen guten Eindruck von dieser Zeit vermittelt der Vicksburg National Military Park. Mit dem eigenen Auto erkundest du das weitläufige Gelände, vorbei an ehemaligen Schlachtfeldern, rekonstruierten Schützengräben und zahlreichen Denkmälern der am Bürgerkrieg beteiligten Staaten. Zum Park gehört auch ein Museum, in dem das Kanonenboot USS Cairo ausgestellt ist, das im Mississippi versank und später wieder gehoben wurde.
Vicksburg hat mehr zu bieten als Militärgeschichte. Bummle durch die charmante Innenstadt mit ihren gut erhaltenen Gebäuden, schau dir das Biedenharn Coca-Cola Museum an und spaziere am Flussufer entlang, wo große Wandmalereien die Geschichte der Stadt erzählen.
Für einen Sundowner empfehle ich die 10 South Rooftop Bar – Comfort Food, gute Drinks und ein fantastischer Sonnenuntergangsblick über den Mississippi River bis nach Louisiana.
Was du sonst noch im Missisippi Delta erleben kannst
Den Blues Highway entlang fahren
Der Highway 61, auch bekannt als Blues Highway, ist mehr als nur eine Straße – er ist eine Pilgerreise. Fenster runter, die schwüle Luft des Deltas hereinlassen und sich Zeit nehmen (ok, und ab und zu das Fenster wieder hochkurbeln und die Klimaanlage einschalten). Unterwegs stößt man auf die typischen blauen Schilder des Mississippi Blues Trail (die sogenannten Blues Marker“), die die Geschichte eines Musikers oder eines Ortes erzählen. Auf der Entdeckungsreise des Blues stößt man auch immer wieder auf die Geschichte der Bürgerrechte – die grünen Schilder erzählen mehr darüber.
Unterwegs auf dem Delta Tamales Trail
Die Küche des Deltas ist eine Mischung aus vielen Einflüssen, aber ein Gericht sticht besonders hervor: Delta Tamale. Anders als sein mexikanischer Verwandter ist der Delta-Tamale schärfer und grobkörniger, meist mit Schweinefleisch gefüllt und in einer heißen Brühe gekocht. Neben dem bereits erwähnten Doe’s Eat Place in Greenville gibt es im ganzen Delta verschiedene Tamale-Stände und Restaurants – die besten sind im Tamale Trail aufgelistet.
Offenlegung: Diese Recherche erfolgte auf Einladung von Visit Mississippi. Vielen Dank für die Unterstützung! // Dieser Artikel enthält Affiliate Links (mit einem * gekennzeichnet oder als Werbe-Einschub von GetyourGuide). Wenn du etwas über diesen Link buchst oder kaufst, erhalte ich eine kleine Provision, während sich für dich nichts am Preis ändern sollte. Vielen Dank für den Support meiner Arbeit!