Ich bin dann mal dauerhaft weg: Katharina Finke beschließt, dass sie ihre Wohnung, ihren Freund sowie einen Großteil ihrer Besitztümer nicht mehr benötigt und macht sich auf in die Welt. Loslassen von Katharina Finke – eine Rezension.
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Loslassen, das ist eine meiner großen Herausforderungen. Vielleicht geht es dir ja ähnlich wie mir – ein stetiges Abbwägen zwischen: behalten oder weggeben? Daran festhalten oder ziehen lassen? Das bezieht sich auf den ersten Blick auf Dinge, die ich im Laufe meines Lebens angehäuft habe: Bücher, Kleidung, Erinnerungsstücke, technische Gadgets, DVDs (ja, immer noch), CDs, Postkarten, Stifte, Kram. Auf den zweiten Blick bezieht sich das auch auf Nichtmaterielles: Lebensplanung, Beziehungen, sportliche Ziele, Denkweisen.
Eigentlich bin ich schon ganz gut darin, Dinge regelmäßig auszumisten: wer innerhalb Berlins in 20 Jahren 8 Mal umgezogen ist, der kann sich gut von Dingen trennen, die ansonsten unzählige Altbautreppen hoch- und runter geschleppt werden müssten. Klammheimlich hat sich der Besitz über die Jahre aber wieder vergrößert. Vor allem kann ich Dingen, die ich angeblich dringend benötige, nur schwer widerstehen – gerade Läufer können das sicher nachvollziehen: Laufshirts und -tights kann man schließlich nie genug haben, ganz abzusehen von den unzähligen Gadgets, die man gut beim Laufen gebrauchen kann.
Inhalt des Artikels
Minimalismus versus Habenwollen – mein Dilemma
Als ich also in meiner Lieblingsbuchhandlung in Berlin-Friedrichshain auf dem kleinen Tisch mit dem Empfehlungen „Loslassen“ von Katharina Finke entdecke, stehe ich sogleich vor einem Dilemma. Situation: ich will dieses Buch! Problem: dann hab‘ ich ja schon wieder mehr Besitz angehäuft! Ich entscheide mich dagegen und versuche es in meiner Stadtteilbibliothek. Fehlanzeige. Und dann kommt das Buch über Umwege doch zu mir.
Loslassen – wie ich die Welt entdeckte und verzichten lernte
Worum geht’s?
Katharina, Anfang 30 und freie Journalistin, kommt von einem Auslandsaufenthalt irgendwann einfach nicht mehr zurück. Naja, fast, denn zurück nach Hamburg muss sie zunächst schon einmal – und zwar um ihre Wohnung im Hamburg aufzulösen. Nachdem sie sowieso schon viel unterwegs ist, entscheidet sie sich nun auch gegen den sicheren Hafen sowie die eingeschlafene Beziehung zu ihrem Freund und beschließt, von nun an ohne festen Wohnsitz – und vor allem ohne viel Besitztümer – um die Welt zu reisen um dort zu arbeiten.
Wie liest sich das?
Katharina Finke ist Journalistin und das merkt man in jeder Zeile dieses Buchs. Vor allem, dass sie eben keine Klatschreporterin oder Lifestyle-Journalistin ist, sondern über schwierige Themen, Politik und Probleme schreibt. Am Anfang hat mich das etwas abgeschreckt. Nicht die Tatsache an sich, sondern dass meine Erwartungen, die ich in das Buch gelegt hatte, nicht gleich erfüllt wurden. Ich ging davon, dass ich so gut wie jeden einzelnen Satz unterschreiben könnte und ich vor lauter Emotionen auch mal ein paar dicke Tränen verdrücken würde wie bei der Lektüre von Gesa Neitzels Frühstück mit Elefanten (Partnerlink)* Oder dass ich ständig lauthals loslachen müsste wie ich das bei Das große Los (Partnerlink)* von Meike Winnemuth getan habe.
„Loslassen“ liest sich nüchterner. Oft wird etwas erklärt über den Hintergrund einer Sache, über politisches Geschehen oder gesellschaftliche Umstände. Katharina Finke ist Journalistin durch und durch und will mit ihrem Buch weit mehr als nur unterhalten. Nachdem ich mich darauf eingelassen habe und halben Tag lang nur darin gelesen habe, habe ich genau darin den Wert erkannt –und in Sequenzen auch Ausflüge jenseits der journalistischen Neutralität entdeckt. Die Autorin bezieht da Stellung, wo es notwendig ist und macht ihre Wertvorstellungen deutlich. Da ist es ihr auch herzlich egal, ob sie mit dieser Sichtweise eventuell irgendwo anecken könnte. Finde ich gut und nachahmenswert. An gewissen Stellen im Buch hätte ich gerne noch mehr gewusst: die Beziehung zu ihrem Auftraggeber Daniel, war sie rein beruflicher Natur? Lief die Trennung von ihrem Freund tatsächlich so harmonisch ab? Katharina Finke entschied sich, diese Teile auszulassen und das ist ihr gutes Recht. Dass ich das Buch in einem Rutsch komplett durchgelesen habe, spricht dafür, dass ein Reportagestil durchaus auch als Buch funktioniert. Irgendwann war ich drin in der Story und wollte unbedingt wissen: wie geht es weiter?
Erkenntnisse aus dem Buch
Achtung, Spoileralert: Gegen Ende des Buches merkt die Autorin, dass sie doch gerne ein Nest hätte. Dass sie Kinder haben möchte und ihnen nicht ihr Vagabundenleben zumuten will, ohne festes Zuhause. Dass sie ihr Umfeld mit ihren Liebsten braucht. Letzteres ist eine Erkenntnis, die ich für mich schon länger festgemacht habe. Auch wenn ich gerne reise und in mittelfristiger Zukunft gerne noch viel mehr in der Welt unterwegs sein will, um Neues zu entdecken: ich möchte meine Berliner Homebase nicht missen. Und natürlich muss ich jetzt auch dem Klischee gerecht werden: kaum fertig gelesen, habe ich bei mir nochmal kräftig ausgemistet. An die Tagebücher meiner Kindheit und Jugend habe ich mich, im Gegensatz zur Autorin, noch nicht herangewagt.
Aber regalweise Bücher durften gehen. Wo ich bisher immer nach der Devise lebte: „Bücher sind meine besten Freunde, die immer bei mir bleiben dürfen“ denke ich jetzt: wie absurd, dass ich diese Bücher von Wohnung zu Wohnung schleppe und sie nie mehr anfasse, sobald sie mal im Regal stehen. Jetzt besitze ich nur noch Bücher, die ich immer wieder gerne aufschlage, zu denen ich einen persönlichen Bezug habe oder die ich noch lesen will. Ich habe nämlich tatsächlich eine ganze Regalreihe voll ungelesener Bücher!
Schlüsselsatz aus „Loslassen“
Der Schlüsselsatz ist gar kein einziger, sondern ein Absatz, der gleich aus mehreren Sätzen gebildet ist. Es ist vielleicht nicht die entscheidende Aussage des Buchs, aber etwas, das mich innehalten ließ, weil ich es so gut nachvollziehen kann.
Mein Leben war in den vergangenen Jahren immer schneller und atemloser verlaufen. Für mich war das Rastlose zum Alltag geworden. Einerseits, weil ich es so wollte, denn ich liebte es, die Welt zu entdecken. Andererseits aber auch, weil es mir schwergefallen war, als Freie Journalistin Aufträge abzusagen. Ich hatte Angst, Jobangelegenheit zu verpassen und um meine Finanzen bangen zu müssen. Denn in dieser Hinsicht war ich nach wie vor nicht frei: Ich war – wie wir alle – abhängig vom Geld. […] Auch war ich ein Opfer unserer Leistungsgesellschaft. Auch bei mir war der Drang nach Perfektionismus ausgeprägt, ich sehnte mich nach Erfolg.
Über die Autorin Katharina Finke
Katharina Finke ist Journalistin und Autorin. Neben „Loslassen – wie ich die Welt entdeckte und verzichten lernte“ hat sie ein weiteres Buch geschrieben: In Mit dem Herzen einer Tigerin (Partnerlink)* berichtet sie das Schicksal einer indischen Frau, die erst als Arbeitssklavin missbraucht und die Hölle in einer Ehe erlebte, die durch Zwangsheirat zustande kam. Katharina Finke schreibt u.a. für der freitag, Spiegel, taz und die ZEIT. Hier kannst du Katharina Finke auf twitter folgen.
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Katharina Finke: Loslassen – Wie ich die Welt entdeckte und verzichten lernte (Partnerlink)* Piper Verlag 2017, €16,00
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